Montag, 24. August 2009

„I have my mission“ – Auf Newmans Spuren in Oxford, Littlemore und Birmingham



Schon an meinem ersten Tag in Oxford führte ich eine Auseinandersetzung. Am 26. Juli 2009 besuchte ich den Sonntagsgottesdienst in der Universitätskirche St Mary the Virgin (neuerdings sagt man: SMV). Nach dem Gottesdienst bat ich Pfarrer Brian Mountford um ein kurzes Gespräch, denn im Internet hatte ich seine Predigt „Newman and me: chalk and cheese“ entdeckt, die er am 24. Mai gehalten hatte. Der folgende Abschnitt empörte mich: “Newman was an old conservative; I’m a thrusting liberal; he had a high view of the church – I have a low view. In his famous hymn ‘Firmly I believe and truly’ he writes of Jesus Christ:

And I hold in veneration,
for the love of him alone,
holy Church as his creation,
and her teachings as his own.

I am deeply suspicious of the Church – from the crusades to the Papal teaching on contraception. I’ve got to stand up for myself; I must be my own man.”

Auf Deutsch: Newman und Ich: Tag und Nacht. Newman war ein alter Konservativer; ich bin ein Liberaler, der vorwärts drängt; er hatte eine hohe Meinung von der Kirche, meine Bewunderung der Kirche hält sich freilich in Grenzen. In seinem bekannten Kirchenlied ‘Firmly I believe and truly’ (Ich glaube fest und treu) schreibt Newman von Jesus Christus:

Und ich halte in großer Ehrfurcht

Aus Liebe zu ihm allein

Die heilige Kirche als seine Schöpfung

Und ihre Lehren als seinen eigenen.

Ich selber hege einen tief sitzenden Argwohn gegenüber der Kirche – dies beginnt bei den Kreuzzügen und endet damit, was der Papst über Geburtenkontrolle zu sagen hat. Ich muss auf meinen eigenen Beinen stehen; ich muss meinen eigenen Weg gehen.“

Im Gespräch räumte der Pfarrer Mountford ein, dass seine Sicht „biassed“ (= unausgewogen) sei. Er wollte indes weniger Newman treffen als vielmehr jene Dozenten am Oriel College, die Newman als göttlich verehren.

Am Mittwoch, den 29. Juli 2009, nahm ich den Bus nach Rose Hill und besuchte die Schwestern vom „Werk“ (Familia Spiritualis Opus) in Littlemore. Als ich von meiner Kontroverse in Newmans ehemaliger Kirche erzählte, lächelten die Schwestern. Ihre Botschaft lautete: “You do the fighting, we’ll pray for you.“

Anfang August bestieg ich den Zug nach Birmingham, um im dortigen Oratorium einige Tage zu verbringen. Erwartungsfroh betend und angespannt diskutierend sehen die Oratorianer Newmans Seligsprechung im nächsten Jahr entgegen. Das Tauziehen um die Frage „Wem gehört Newman?“ begleitete auch unsere Gespräche. Im Leitartikel „Newman for the Nation“, der am 1. August in der Londoner katholischen Wochenzeitschrift THE TABLET erschienen war, wurde eine Gegenposition formuliert. Hier der entscheidende Satz: „But it is important to explain fully to the nation that it is as much for a celebration of Newman’s Englishness, in which all can take pride, as of his Catholicism, a potentially divisive issue particularly with reference to the Church of England.” Hier meine Übersetzung: “Aber es ist wichtig, der englischen Nation umfassend zu erläutern, dass es sich bei der Seligsprechung einerseits um eine Feier von Newmans englischer Wesensart handelt, worauf wir alle stolz sein können, und dass es ebenso um Newmans katholische Gläubigkeit geht, was im Blick auf die Kirche von England einige Irritationen auslösen könnte.“

Einer Eingebung des Augenblicks folgend meinte ich gegenüber Fr Dermot Fenlon, dem Bibliothekar im Oratorium: „Wenn ich an Newmans Stehpult schreiben darf, dann werde ich der Redaktion in London mitteilen, worum es bei der Seligsprechung wirklich geht.“ (Intern sprachen wir von „Tract 91“.)

Hier mein englischer Originaltext: “I was astonished when I came across your rather peculiar view that the event of Newman’s beatification was in the first place a “celebration of Newman’s Englishness, in which we all can take pride.”

As a matter of fact Cardinal Newman has got dedicated admirers worldwide – and these rightly judge his sanctity in the common tradition of the faithful. Newman himself discovered it in reading the fathers of the church, especially in the pages of Augustine of Hippo. “For a mere sentence, the words of St. Augustine, struck me with a power which I never had felt before. Securus judicat orbis terrarum!” (Newman, APOLOGIA, Ch. III)

On October 14, 1843 John Henry Newman confided in a letter to Archdeacon (later Cardinal) Henry Edward Manning: “If there ever was a case, in which an individual teacher has been put aside and virtually put away by a community, mine is one. It is felt that I am foreign material...”

I am writing to you as a German and I would like to point out that apart from our Holy Father Benedict XVI. (“Newman was our passion”) the following names deserve our attention: Johannes Oesterreicher, Edith Stein, Romano Guardini, Reinhold Schneider, Carl Muth, Theodor Haecker, Sophie Scholl. For them Newman’s theology of conscience was a guiding light.

When back in 2005 Cardinal Clemens August von Galen was beatified, no Catholic magazine came to the conclusion that this event was a celebration of Bishop von Galen’s “Deutschtum” (i.e. Germanness), in which we all can take pride.

Hier die freie Übertragung meines Leserbriefes: “Ich war verwundert, als ich auf Ihren ziemlich eigenartige Standpunkt stieß, dass das Ereignis von Newmans Seligsprechung zunächst eine Feier von Newmans englischer Wesensart sei, worauf wir alle stolz sein können.

Fakt ist, Newman wird weltweit verehrt und bewundert – und seine Verehrer vertreten zu Recht die Überzeugung, dass seine Heiligkeit in der gemeinsamen Tradition der Gläubigen beurteilt werden muss. Newman selbst entdeckte diese Tradition, als er die Kirchenväter las, zuvörderst in den Schriften des Hl. Augustinus von Hippo. „Denn ein bloßer Ausspruch, die Worte des hl. Augustinus, trafen mich mit einer Wucht, wie sich sie nie zuvor empfunden hatte. Securus judicat orbis terrarum! – Sicher ist das Urteil des Erdkreises.“ (Newman, Geschichte meiner religiösen Überzeugungen, Kap. III).

In seinem Brief vom 14. Oktober 1843 vertraute John Henry Newman dem damaligen anglikanischen Erzdiakon (und späteren katholischen Kardinal) Henry Edward Manning an: „Wenn jemals ein Lehrer beiseite geschoben oder gleichsam aus einer Gemeinschaft ausgeschlossen wurde, so bin ich es. Man fühlt, dass ich ein Fremdkörper bin...“

Ich schreibe Ihnen als Deutscher; deshalb würde ich gerne darauf hinweisen, dass abgesehen von unserem Heiligen Vater Benedikt XVI. („Newman war unsere Leidenschaft“) folgende Persönlichkeit es verdienen, namentlich genannt zu werden: Johannes Oesterreicher, Edith Stein, Romano Guardini, Reinhold Schneider, Carl Muth, Theodor Haecker, Sophie Scholl. Für sie alle war Newmans Theologie des Gewissens ein Licht, das ihnen den rechten Weg wies.

Als im Jahre 2005 Clemens August Kardinal Graf von Galen selig gesprochen wurde, kam keine katholische Zeitschrift auf die abwegige Idee, dass diese Seligsprechung zunächst eine Feier von Bischof von Galens Deutschtum sei, worauf wir alle stolz sein können.

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I have my mission. He has not created me for naught. I shall do good, I shall do His work; I shall be an angel of peace, a preacher of truth in my own place. (Newman, Meditations and Devotions)

Gott hat mir eine bestimmte Aufgabe übertragen, die Er niemand anderem gegeben hat. Ich habe eine Mission. Ich soll ein Engel des Friedens sein, an meinem Platz soll ich die Wahrheit verkünden. (Betrachtungen und Gebete)